Die Fälschung und der illegale Vertrieb von Arzneimitteln oder Medizinprodukten stellen eine besonders schwere Form der Kriminalität dar, da diese Fälschungen bedeutende Gesundheitsrisiken für die Patientinnen und Patienten bergen. Der Handel mit gefälschten Heilmitteln nimmt weltweit zu. Die Gewinne aus diesem illegalen Handel sind hoch und die Sanktionsrisiken gering. Jährlich gelangen schätzungsweise rund 20‘000 illegale Arzneimittelsendungen in die Schweiz.[1] Das am 28. Oktober 2011 in Moskau zur Unterzeichnung aufgelegte Übereinkommen des Europarats über die Fälschung von Arzneimitteln und Medizinprodukte und über ähnliche die öffentliche Gesundheit gefährdende Straftaten (kurz die Medicrime-Konvention) hat sich dieser Problematik angenommen. Diese Konvention wurde bereits im Jahre 2011 von der Schweiz unterzeichnet und ist am 1. Januar 2016 in Kraft getreten.
Diese Konvention ist das erste internationale Übereinkommen, das die Unterbindung des illegalen Heilmittelhandels zum Ziel hat. Am 22. Februar 2017 hat der Bundesrat dem Parlament die Botschaft zur Genehmigung und zur Umsetzung der Medicrime-Konvention überwiesen. Die Botschaft nimmt dazu Stellung, welche Gesetzesänderungen durch die Medicrime-Konvention angezeigt sind. Weitgehend erfüllt die Schweiz bereits mit der geltenden Rechtslage die Anforderungen der Medicrime-Konvention.[2] Nachfolgend sollen einzelne Anpassungen erläutert werden.
Anpassungen im materiellen Recht
Die Unterzeichnerstaaten verpflichten sich nach Art. 5 und 6 der Konvention, die vorsätzliche Herstellung, die Abgabe, das Angebot zur Abgabe, einschliesslich der Vermittlung, des Handels, der Lagerung sowie der Ein- und Ausfuhr gefälschter Heilmittel, Wirkstoffe, Hilfsstoffe, Teile und Materialien sowie von gefälschtem Zubehör als Straftat zu umschreiben. Art. 7 der Konvention verlangt von den Unterzeichnerstaaten weiter, auch das Erstellen von falschen Dokumenten oder die Veränderung von Dokumenten um die Echtheit von Heilmitteln vorzutäuschen strafrechtlich zu verfolgen. Die Beihilfe und die Anstiftung sowie der Versuch einer der oben genannten Straftaten sollen nach Art. 9 der Konvention ebenfalls als Straftat umschrieben werden. Die Vertragsparteien haben denn auch dafür zu sorgen, dass die im Übereinkommen umschriebenen Straftaten mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktionen bedroht werden, einschliesslich Geldsanktionen und Freiheitsstrafen, die zur Auslieferung führen können (vgl. Art. 11 der Konvention).[3]
Die meisten Anforderungen der Medicrime-Konvention betreffend das materielle Strafrecht wurden bereits in der ordentlichen Revision des HMG in schweizerisches Recht umgesetzt. So z.B. mit Art. 86 Abs. 1 lit. g des HMG in der vom Parlament am 18. März 2016 verabschiedeten Fassung (nHMG). Gemäss dieser Bestimmung ist strafbar, wer vorsätzlich Heilmittel unrechtmässig nachmacht, verfälscht oder falsch bezeichnete Heilmittel in Verkehr bringt, anwendet, einführt, ausführt oder damit im Ausland handelt. Zur Gewährleistung der Klarheit bezüglich der Vermittlungstätigkeiten schlägt der Bundesrat vor, in Art. 4 Abs. 1 lit. e nHMG unter dem Begriff „Vertreiben“ ausdrücklich die Vermittlungstätigkeiten aufzuführen, so dass keine Zweifel mehr daran bestehen, dass unter dem etwas unscharfen und damit auslegungsbedürftigen Begriff des „Vertreibens“ auch die Vermittlungstätigkeit zu subsumieren ist. Weiter fällt dann auch das Fälschen von Verpackungen, Kennzeichnungen (so etwa die Hologramm-Siegel) oder Beipackzetteln unter das unrechtmässige Herstellen nach Art. 86 Abs. 1 nHMG. Das Fälschen von Bescheinigungen oder Zertifikaten einer Behörde oder einer Konformitätsbewertungsstelle fällt hingegen unter Art. 28 des Bundesgesetzes über die technische Handelshemmnisse, auf den Art. 88 HMG verweist. Der Versuch von Straftaten nach dem HMG und die Teilnahme (Beihilfe oder Anstiftung) an solchen Straftaten sind im schweizerischen Recht, was Verbrechen und Vergehen anbelangt, nach den Art. 22, 24 und 25 des Strafgesetzbuchs (StGB) und in Bezug auf Übertretungen nach Art. 87 Abs. 4 HMG in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2 StGB strafbar. Die Anforderungen des Übereinkommens sind somit hinsichtlich des materiellen Strafrechts weitestgehend ohne Anpassungsbedarf erfüllt.[4]
Ermittlung, Strafverfolgung und Verfahrensrecht
Neben den Anforderungen an das materielle Strafrecht, schreibt die Medicrime-Konvention auch Anpassungen betreffend die Ermittlung, Strafverfolgung und das Verfahrensrecht vor. Nach Art. 15 der Konvention dürfen die Ermittlungen wegen oder die Strafverfolgung von Straftaten nach dem Übereinkommen nicht von einer Anzeige abhängig gemacht werden. Dieses Detail ist von grösster Wichtigkeit, erlaubt es den Strafverfolgungsbehörden doch, Ermittlungen auch ohne Geschädigte und ohne einen genügend konkretisierten Anfangsverdacht zu führen. Weiter haben die Staaten gemäss Art. 16 Abs. 1 der Konvention mit den erforderlichen Massnahmen sicherzustellen, dass die für die strafrechtlichen Ermittlungen zuständigen Personen auf dem Gebiet der Bekämpfung der Fälschung von Heilmitteln und ähnlicher Straftaten spezialisiert sind oder zu diesem Zweck geschult werden, hierzu gehören auch Finanzermittlungen. Nach Abs. 2 müssen die Staaten sodann wirksame strafrechtliche Ermittlungen und eine wirksame Strafverfolgung in Übereinstimmung mit den Grundsätzen ihres internen Rechts gewährleisten. Sie können dafür, soweit angemessen, auch die Möglichkeit der Durchführung von Finanzermittlungen, verdeckten Ermittlungen, überwachten Lieferungen und sonstigen besonderen Ermittlungsmethoden vorsehen.[5]
Die strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben nach dem StGB sowie nach den Art. 86 und 87 nHMG werden von Amtes wegen verfolgt (vgl. Art. 30 ff. StGB). Somit erfüllt das schweizerische Recht die Anforderungen von Art. 15 des Übereinkommens bereits. Die Anforderungen von Art. 16 der Konvention werden durch die geltende Rechtslage in der Schweiz hingegen nur teilweise erfüllt. So ist zwar die spezifische Fachkompetenz im Heilmittelbereich bei Swissmedic vorhanden, es fehlt jedoch an der Fachkompetenz in Finanz- und Informatikfragen. Deshalb wird in einem neuen Art. 90c nHMG ausdrücklich festgehalten, dass Swissmedic und das BAG unabhängige und fachkundige Personen damit beauftragen können, im Rahmen von Verwaltungsstrafverfahren beschlagnahmte Daten zu sichern, zu speichern, auszuwerten und aufzubewahren.[6]
Um effiziente Strafuntersuchungen zu gewährleisten, erfordert die Sachverhaltsklärung teilweise geheime Überwachungsmassnahmen wie Observationen, Scheineinkäufe, die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs sowie verdeckte Ermittlungen. Dadurch kann eine Straftat wirksamer aufgedeckt oder verhindert werden. Damit sie den Behörden zur Bekämpfung der Heilmittelkriminalität zur Verfügung stehen, sind Ergänzungen der StPO und des HMG vorzunehmen. Art. 86 Abs. 2 und 3 nHMG sind in die Deliktskataloge der Art. 269 Abs. 2 und 286 Abs. 2 StPO aufzunehmen, die die geheime Überwachung und die verdeckte Ermittlung regeln. Weiter soll im HMG ein neuer Art. 90a eingefügt werden, der die Möglichkeit vorsieht, dass die Swissmedic und die Eidgenössische Zollverwaltung (EVZ) geheime Überwachungsmassnahmen anordnen können.[7] Mit diesen Anpassungen wird die Schweiz der Medicrime-Konvention gerecht. Für weitere Ausführungen zu den einzelnen vorgeschlagenen Anpassungen kann auf die Botschaft zur Genehmigung und zur Umsetzung der Medicrime-Konvention verwiesen werden.[8]
Die Vereinigung der Schweizer Medizinalrechtsanwälte SMLA hat seit Jahren immer wieder betont, wie problematisch nicht nur der Handel mit gefälschten Arzneimitteln, sondern auch mit gefälschten Medizinalprodukten ist. Diese These bewahrheitete sich im Jahre 2010 in dramatischer und (insb. bezgl. Umfang und investierter krimineller Energie) nicht vorhersehbarer Weise, als bekannt wurde, dass der drittgrösste Anbieter von Silikonbrustimplantaten, die französische Firma Poly Implant Prothèse (PIP) jahrelang seine Implantate mit billigem Bausilikon, statt mit medizinischem Silikon, befüllt hatte.
Aus medizinalrechtlicher Sicht ist es daher zu begrüssen, dass dem Handel mit gefälschten Heilmitteln und deren Herstellung mit diesem Übereinkommen entgegengewirkt wird. So können die hohen Kosten für die Allgemeinheit, die durch die gravierenden Gesundheitsfolgen der gefälschten Heilmittel verursacht werden, hoffentlich reduziert und das Vertrauen in die legalen Vertriebskanäle wieder gestärkt werden.
[1] Der Bundesrat verstärkt den Kampf gegen Heilmittelfälschungen: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/aktuell/medienmitteilungen.msg-id-65714.html, zuletzt abgerufen am 22.03.2017
[2] Ratifizierung der Medicrime-Konvention: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/mensch-gesundheit/biomedizin-forschung/heilmittel/aktuelle-rechtsetzungsprojekte/ratifizierung-medicrime-konvention.html, zuletzt abgerufen am 22.03.2017
[3] Botschaft zur Genehmigung und Umsetzung der Medicrime-Konvention, PDF abrufbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/mensch-gesundheit/biomedizin-forschung/heilmittel/aktuelle-rechtsetzungsprojekte/ratifizierung-medicrime-konvention.html, zuletzt abgerufen am 22.03.2017
[4] Botschaft zur Genehmigung und Umsetzung der Medicrime-Konvention, PDF abrufbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/mensch-gesundheit/biomedizin-forschung/heilmittel/aktuelle-rechtsetzungsprojekte/ratifizierung-medicrime-konvention.html, zuletzt abgerufen am 22.03.2017
[5] Botschaft zur Genehmigung und Umsetzung der Medicrime-Konvention, PDF abrufbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/mensch-gesundheit/biomedizin-forschung/heilmittel/aktuelle-rechtsetzungsprojekte/ratifizierung-medicrime-konvention.html, zuletzt abgerufen am 22.03.2017
[6] Botschaft zur Genehmigung und Umsetzung der Medicrime-Konvention, PDF abrufbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/mensch-gesundheit/biomedizin-forschung/heilmittel/aktuelle-rechtsetzungsprojekte/ratifizierung-medicrime-konvention.html, zuletzt abgerufen am 22.03.2017
[7] Botschaft zur Genehmigung und Umsetzung der Medicrime-Konvention, PDF abrufbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/mensch-gesundheit/biomedizin-forschung/heilmittel/aktuelle-rechtsetzungsprojekte/ratifizierung-medicrime-konvention.html, zuletzt abgerufen am 22.03.2017
[8] Botschaft zur Genehmigung und Umsetzung der Medicrime-Konvention, PDF abrufbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/mensch-gesundheit/biomedizin-forschung/heilmittel/aktuelle-rechtsetzungsprojekte/ratifizierung-medicrime-konvention.html, zuletzt abgerufen am 22.03.2017