Als Folge des Skandals um gesundheitsschädigende Brustimplantate des französischen Herstellers PIP hat die EU-Kommission seit 2012 verschärfte Überwachungsaktivitäten im Bereich Medizinprodukte angeordnet. Kernstück dieses sog. „PIP-Aktionsplans“ sind strengere Vorgaben für die Überwachung der Konformitätsbewertungsstellen (KBS).[1] Diese überprüfen bei Herstellern Medizinprodukte auf ihre Übereinstimmung mit den gesetzlichen Anforderungen. Erfüllen die Medizinprodukte sämtliche Anforderungen, werden den Herstellern die passenden EG–Zertifikate ausgestellt, was diese ermächtigt ihre Produkte konform in Verkehr zu bringen.[2] Per 15. April 2015 wurden in der Schweiz parallel zur EU die Anforderungen für die KBS erhöht („Kleine MepV-Revision“).[3]
Die Einhaltung der verschärften Anforderungen an die KBS wurde durch Inspektionen der KBS überprüft. Aufgrund dieser Inspektionen hat sich die Zahl europäischer und Schweizer KBS von ca. 80 auf 60 reduziert. Dies wiederum führte dazu, dass derzeit ca. 3‘000 EG-Zertifikate ohne Überwachung durch KBS sind und die Hersteller kurzfristig eine neue KBS finden müssen, die ihre Produkte zertifizieren. Dieser Prozess kann aktuell bis zu einem Jahr dauern. Die Gültigkeit der betroffenen EG-Zertifikate ist für diese Übergangszeit regulatorisch nicht abschliessend geklärt und es stellt sich namentlich die Frage nach dem weiteren Erstinverkehrbringen von betroffenen Medizinprodukten.[4]
Ende Oktober 2015 wurde diese Problematik in Bratislava im Beisein von Swissmedic besprochen und eine europäisch harmonisierte Verfahrensweise verabschiedet. Diese sieht vor, „dass die Marktkontrollbehörden unter bestimmten Umständen betroffene Herstellern eine bestimmte Frist („Period of Grace“ PoG) zugestehen können, während der das Inverkehrbringen der vom Bezeichnungsrückzug betroffenen, sicheren und wirksamen Medizinprodukten toleriert wird und dem Hersteller die Gelegenheit geboten wird, die Konformität zu den regulatorischen Vorgaben wiederherzustellen“.[5]
Swissmedic hat entschieden, sich an der harmonisierten europäischen Vorgehensweise zu orientieren. Somit haben nun betroffene Hersteller mit Sitz in der Schweiz nach Wegfall der Bezeichnung ihrer bisherigen KBS innert 12 Monaten den rechtsgenüglichen Zustand ihrer Produkte wieder herzustellen. Während dieser Zeitspanne verzichtet Swissmedic auf die Ergreifung von Massnahmen gegen das weitere Erstinverkehrbringen von Medizinprodukten mit der Identifikationsnummer ihrer „alten“ KBS, sofern folgende Bedingungen erfüllt werden:[6]
- Die Produktsicherheit ist gewährleistet, d.h. die durch das EG-Zertifikat abgedeckten Medizinprodukte stellen kein bekanntes oder relevantes Risiko dar;
- die grundlegenden Anforderungen sind nach wie vor vollumfänglich erfüllt;
- der Hersteller kann nachweisen, dass der Prozess zur Erneuerung der EG-Zertifikate der betroffenen Produkte bei einer neuen KBS initiiert wurde;
- der Hersteller kann jederzeit eine Übersicht über seine betroffenen Produkte/EG-Zertifikate sowie deren aktuellen Status vorlegen.
Die betroffenen Hersteller müssen Swissmedic bis spätestens 30 Tage nach Wegfall der Bezeichnung der KBS eine schriftliche Bestätigung einreichen, wonach die obengenannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dieser Bestätigung müssen folgende Dokumente beigelegt werden:[7]
- Eine Kopie des EG-Zertifikats mit allfällig dazugehörenden Produktlisten;
- die Konformitätserklärung für die betroffenen Produkte;
- eine schriftliche Bestätigung der neuen KBS, dass der Prozess für eine neue Zertifikatserteilung initiiert wurde;
- der vorgesehene Zeitplan.
Bei der PoG handelt es sich nicht um eine amtliche Verlängerung eines EG-Zertifikats, sondern ausschliesslich um eine Frist, welche den Herstellern aus Verhältnismässigkeits-Überlegungen zugestanden wird, um die ohne deren Verschulden entstandenen formellen Unzulänglichkeiten zu beseitigen.[8] Die Praxis von Swissmedic betreffend die Gültigkeit von EG-Zertifikaten in dieser Übergangszeit ist zu begrüssen, da sie einerseits der Rechtssicherheit dient, andererseits aber gleichzeitig den betroffenen Herstellern eine verhältnismässige Übergangslösung bietet.
[1] Verstärkte Swissmedic-Überwachung von Medizinprodukten (PIP-Aktionsplan), PDF abrufbar unter: https://www.swissmedic.ch/medizinprodukte/02635/02639/02748/index.html?lang=de, zuletzt abgerufen am 13.02.2017
[2] Konformitätsbewertungsstellen: https://www.swissmedic.ch/medizinprodukte/02636/02654/index.html?lang=de, zuletzt abgerufen am 13.02.2017
[3] Revision der Medizinprodukteverordnung (MepV): https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/mensch-gesundheit/biomedizin-forschung/heilmittel/aktuelle-rechtsetzungsprojekte/revision-med-prod-verord-mepv.html, zuletzt abgerufen am 13.02.2017
[4] Praxis von Swissmedic im Umgang mit EG-Zertifikaten für Medizinprodukte, PDF abrufbar unter: https://www.swissmedic.ch/aktuell/00673/03691/index.html?lang=de, zuletzt abgerufen am 13.02.2017
[5] Praxis von Swissmedic im Umgang mit EG-Zertifikaten für Medizinprodukte, PDF abrufbar unter: https://www.swissmedic.ch/aktuell/00673/03691/index.html?lang=de, zuletzt abgerufen am 13.02.2017
[6] Praxis von Swissmedic im Umgang mit EG-Zertifikaten für Medizinprodukte, PDF abrufbar unter: https://www.swissmedic.ch/aktuell/00673/03691/index.html?lang=de, zuletzt abgerufen am 13.02.2017
[7] Praxis von Swissmedic im Umgang mit EG-Zertifikaten für Medizinprodukte, PDF abrufbar unter: https://www.swissmedic.ch/aktuell/00673/03691/index.html?lang=de, zuletzt abgerufen am 13.02.2017
[8] Praxis von Swissmedic im Umgang mit EG-Zertifikaten für Medizinprodukte, PDF abrufbar unter: https://www.swissmedic.ch/aktuell/00673/03691/index.html?lang=de, zuletzt abgerufen am 13.02.2017