Am 01. Oktober 2010 trat die erste Etappe der vorgezogenen Revision des Heilmittelgesetzes (HMG) in Kraft. Ziel der vorgezogenen Revision war es ein besseres Gleichgewicht zwischen Produkte- und Versorgungssicherheit, primär im Bereich der Formula-Arzneimittel, zu erreichen. Formula- Arzneimittel sind gemäss Art. 9 Abs. 2 HMG von der Zulassung befreit und dafür wurden im Ausführungsrecht der ersten Etappe die qualitativen und quantitativen Anforderungen gesetzt.
Weitere Anliegen des Bundesrates waren Qualität und Sicherheit, klare Kompetenzteilung im Vollzug, Flexibilisierung und Transparenz im Heilmittelbereich. Die eidgenössischen Räte ergänzten die Revision, indem sie die Versorgung mit Komplementärmedizin verbesserten.
2013 wurde eine Evaluation der ersten Etappe der HMG-Revision bei Ernst Basler + Partner in Auftrag gegeben. Dabei stand vor allem der Beitrag der Formula-Arzneimittel zur Versorgungssicherheit im Fokus. Insbesondere sollte die Verwendung solcher Arzneimittel in Spitälern analysiert werden. Jedoch war auch die Herstellung dieser Formula-Arzneimittel ein Teil der Evaluation. Zudem sollte die Evaluation die Zweckmässigkeit des rechtlichen Handlungsrahmens, der durch die erste Etappe geschaffen wurde, untersuchen. Es wurden Vertreter zahlreicher Akteure im Gesundheitswesen, u.a. Vertreter der Kantonsapothekervereinigung (KAV), die Spitalapotheken oder Vertreter von PharmaSuisse dazu befragt.
Die Evaluation ergab, dass die Revision des HMG die Balance zwischen Versorgungs- und Produkte-sicherheit im Bereich der Formula-Arzneimittel verbesserte, jedoch ihre Wirkung noch nicht voll entfaltet hat. Der Vollzug durch die Kantone brauche noch eine gewisse Zeit. Es gebe jedoch schon Rückmeldungen aus der Vollzugspraxis für gewisse Anpassungen und Klärung von offenen Fragen auf Verordnungsstufe.
Die Evaluation zeigt die Wichtigkeit der Formula-Arzneimittel für die Versorgung der Bevölkerung auf. Die Spitalapotheken meldeten über 2‘700 Formula-Arzneimittel, welche hergestellt und abgegeben wurden. Dazu wurden über 400 Wirkstoffe verwendet. Die befragten Akteure sind sich sicher, dass diese Zahlen noch steigen werden, da zugelassene, aber nicht rentable Medikamente vom Markt genommen werden und die Nutzung der Komplementärmedizin weiter steigt.
Die Abgrenzung zwischen Formula- und den übrigen Medikamenten stellt gemäss der Evaluation kein Problem dar. Zudem werden auch keine Versuche unternommen die Zulassung zu umgehen, indem ein Arzneimittel fälschlicherweise als Formula-Arzneimittel deklariert wurde. Dies liege daran, dass die Formula-Arzneimittel von den Drogerien und Apotheken meist in kleinen Mengen für die eigene Kundschaft hergestellt werden.
Es wurden auch keine Hinweise auf Probleme im Bereich der Produktesicherheit von Formula-Arzneimittel gefunden. Von den ca. 450 Meldungen, welche die Swissmedic bezüglich unerwünschten Wirkungen und Vorkommnissen, sowie Qualitätsmängeln jährlich erhält, betraf bisher keine Meldung ein Formula-Arzneimittel. Dies sei, gemäss den Autoren der Evaluation, dem Vollzug durch die Kantone, der Fachkompetenz und dem Verantwortungsbewusstsein der Hersteller, sowie den kleinen Mengen, die z.B. durch eine Drogerie hergestellt werden, zu verdanken.
Die grosse Zahl an herstellenden Betrieben, welche jeweils durch die Kantone bewilligt werden müssen, macht den Vollzug aufwendig. Es fehlt den Kantonsapothekern an Ressourcen, was zu einer langsameren Umsetzung führt, aber auch teilweise lange Inspektionsintervalle bedeutet. Dies schlug sich zum Glück bis jetzt nicht in der Produktesicherheit nieder. Die Kantone wünschen sich, dass der Bund weiterhin im Bereich der Harmonisierung und Effizienzsteigerung des Vollzugs aktiv bleibt. Hier hat der Bund u.a. Vorgaben zur guten Herstellungspraxis erlassen. Gemäss der Evaluation gibt es jedoch noch Synergiepotential beim Vollzug durch die Kantone. Das sollte angesichts der knappen Ressourcen ausgeschöpft werden.
Um die angestrebte Transparenz zu erreichen, wurde eine Online-Datenbank, welche die hergestellten Formula-Arzneimittel erfasst, vorgeschlagen. Dies auch darum ,weil die Datenlage bezüglich Art und Menge der hergestellten und abgegebenen Formula-Arzneimittel dürftig sei. Die Grenze von 100 Risikopunkten, welche auf der Pharmacopoea Helvetica (Supplement 11.1 vom 01. September 2013) Praxis beruht, sei zu überprüfen. Ab 100 Risikopunkten sind nicht mehr die Kantone für die Herstellungsbewilligung zuständig, sondern die Swissmedic. Ein solches Bewilligungsverfahren durch die Swissmedic lohne sich erst ab einer bestimmten Menge, die hergestellt werden sollte. Diese sei bei Formula-Arzneimittel unabhängig der Risikopunkte meist nicht gegeben.
Regelungsbedarf wurde bei den Radiopharmazeutika geortet. Diese seien jedoch im Rahmen der Gesetzgebung zum Strahlenschutz zu reglementieren.
Die Evaluation zeigt auf, dass die erste Etappe der HMG-Revision zum grössten Teil geglückt ist. Es ist keine Überraschung, dass der Vollzug durch die Kantone noch verbessert werden kann. Gemäss BAG wird im Nachgang zur zweiten Etappe der HMG-Revision das Heilmittelverordnungspaket IV geschnürrt. Darin sollen dann die angeregten Verbesserungen und die notwendigen Klärungen vorgenommen werden.
Aus Sicht der Vereinigung der Schweizer Medizinalrechtsanwälte ist erfreulich, dass die Versorgung verbessert werden konnte und dabei keine Einbussen bei der Produktesicherheit festzustellen sind. Wächst der Bereich der Formula-Arzneimittel wie prognostiziert, so bleibt jedoch abzuwarten, ob die bestehenden Regulierungen ausreichen. Hier werden die Massnahmen zur Transparenzsteigerung sicherlich eine wichtige Rolle spielen.