Patientenrechte und die sich daraus ergebende Patientenpartizipation sind insb. seit den Anfängen der Intensivmedizin, also seit rund 40 Jahren, ein immer wichtigeres Thema in der Schnittstelle von Recht und Medizin. In den meisten europäischen Staaten werden Patientenrechte zusammengefasst geregelt. Dies erfolgt teilweise in Patientenrechtserlassen (bspw. in Belgien, Finnland, Spanien), in nationalen Gesundheitserlassen (bspw. in Frankreich, Dänemark) oder in spezifischen Teilen des Zivilrechts (so etwa: Deutschland, Niederlande).[1] Inhalt dieser Regulierungsansätze sind dabei die anerkannten Rechtspositionen der Patienten. Die Regelungsdichte und der Konkretisierungsgrad dieser nationalen Regelwerke unterscheiden sich aber grundlegend.[2]
In der Schweiz verfügt der Bund im Bereich der Patientenrechte nicht über eine umfassende Gesetzgebungskompetenz. Gemäss dem Föderalismusprinzip sind für die Regelung der Patientenrechte grundsätzlich die Kantone zuständig. Regelungen auf Bundesebene gibt es in der Schweiz bis anhin –im Gegensatz zu den oben erwähnten Ländern – nur in denjenigen Bereichen des Gesundheitsrechts, in denen auf eine landesweite Gesetzgebung nicht verzichtet werden kann. Dies gilt bspw. im Epidemienrecht oder im Zivil- und Sozialversicherungsrecht. Sofern sich eine medizinische Behandlung im privatrechtlichen Rahmen abspielt (insbesondere bei frei praktizierenden Fachpersonen), gelten zudem die Regeln des Obligationenrechts und im Streitfall die neue Schweizerische Zivilprozessordnung. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich der Patientenrechte ist demnach beschränkt. Patientenrechte – insbesondere mit Blick auf die Behandlung in öffentlichen Spitälern – sind deshalb grundsätzlich von den Kantonen zu regeln, sei es im kantonalen Gesundheitsgesetz, sei es in spezifischen Patientenrechtserlassen[3]. Die Regelungsdichte, -stufe und -weise der Kantone betreffend die Patientenrechte fallen in den Kantonen sehr unterschiedlich aus, was in der Vergangenheit oft kritisiert wurde. Diese Uneinheitlichkeit – und Zersplitterung der kantonalen Gesetze und Reglemente wurde in der Vergangenheit kritisiert und führte gar zu parlamentarischen Postulaten[4]. Es mag zutreffen, dass die verschiedenen kantonalen Regelwerke im Bereich der Patientenrechte intransparent scheinen. Inhaltlich lässt sich daraus aber kein Nachteil erkennen. Die zentralen Patientenrechte wie das Recht auf medizinische Behandlung, auf hinreichende Aufklärung und Einwilligung sowie auf den Schutz der Patientendaten sind nämlich Ausfluss von Grundrechten und somit auf allen Staatsebenen zu beachten.
Im kürzlich erschienen Bericht des Bundesrates über die Patientenrechte und die Patientenpartizipation in der Schweiz[5] stellte der dieser aber fest, dass die Rechtstellung der Patienten in der Praxis zwar grundsätzlich unbestritten sei, die Umsetzung der Patientenrechte aber „herausfordernd und teilweise mangelhaft“ sei, was insbesondere auf die ungenügende Kommunikation und die unvollständige Aufklärung seitens der Gesundheitsfachperson zurückzuführen sei. Sodann stehe auch die Frage nach einer Verletzung der medizinischen Sorgfaltspflicht wiederholt im Raum[6]. Aus diesen Gründen erachtet der Bundesrat mehr Transparenz bei den Patientenrechten und eine Stärkung der Partizipationsrechte von Patientenorganisationen als wichtig[7].
Auch die im Jahr 2013 beschlossene bundesrätliche Gesamtschau namens Gesundheit 2020[8] verfolgt unter anderem das Ziel, Patientenrechte stärker zu berücksichtigen und Patienten und Versicherte besser in gesundheitspolitische Prozesse einzubeziehen. Aus diesem Grund hat der Bundesrat das Eidgenössische Departement des Inneren beauftragt, Handlungsmöglichkeiten vertieft zu prüfen und die Vor- und Nachteile sowie die konkrete Ausgestaltung eines Patienteninformationsgesetzes auszuführen. Es wird sich folglich weisen, ob es in Zukunft eine Verschiebung der Regelungskompetenzen im Bereich des Gesundheitswesens, insbesondere betreffend die Patientenrechte, weg vom Föderalismusprinzip und hin zu einer immer umfassenderen Bundeskompetenz geben wird.
Soll ein solches Gesetz zukunftsweisend erlassen werden, so wird der Gesetzgeber wohl nicht darum herumkommen, dort nicht nur Informationsrechte des Patienten näher darzulegen, sondern auch dessen Partizipationsmöglichkeiten. Die Partizipationsmöglichkeiten sollten nicht nur das bereits von der Lehre und Rechtsprechung einhellig anerkannte Rechtsinstitut des informed consent näher erläutern und darlegen, sondern auch sein Pendant in die andere Richtung, den informed dissent. Das heisst nichts anderes, als dass es einem Patienten auch gewährleistet sein muss, sich – in informierter Weise – gegen eine Behandlung zu entscheiden, ganz gleich wie sinnvoll, erfolgsversprechend und risikolos diese ist. Die SMLA wird den Gesetzgebungsprozess, sobald er beginnt, sorgfältig beobachten und regelmässig darüber informieren.
[1] Schweizerische Eidgenossenschaft. Patientenrechte und Patientenpartizipation in der Schweiz; Bericht in Erfüllung der Postulate 12.3100 Kessler, 12.3124 Gilli und 12.3207 Steiert, Zusammenfassung, Bern 24. Juni 2015, S. III.
[2] Schweizerische Eidgenossenschaft. Patientenrechte und Patientenpartizipation in der Schweiz; Bericht in Erfüllung der Postulate 12.3100 Kessler, 12.3124 Gilli und 12.3207 Steiert, Zusammenfassung, Bern 24. Juni 2015, S. III.
[3] Stellungnahme des Bundesrates vom 23.05.2012 zum Postulat von Margrit Kessler (12.3100) der Frühlingssession im Jahr 2012. Abrufbar unter: http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20123100, zuletzt abgerufen am 5. November 2015.
[4] Postulat von Margrit Kessler. Abrufbar unter http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20123100, zuletzt abgerufen am 5. November 2015
[5] Schweizerische Eidgenossenschaft. Patientenrechte und Patientenpartizipation in der Schweiz; Bericht in Erfüllung der Postulate 12.3100 Kessler, 12.3124 Gilli und 12.3207 Steiert, Zusammenfassung, Bern 24. Juni 2015, S. II.
[6] Schweizerische Eidgenossenschaft. Patientenrechte und Patientenpartizipation in der Schweiz; Bericht in Erfüllung der Postulate 12.3100 Kessler, 12.3124 Gilli und 12.3207 Steiert, Zusammenfassung, Bern 24. Juni 2015, S. II.
[7] Stellungnahme des Bundesrates vom 23.05.2012 zum Postulat von Margrit Kessler (12.3100) der Frühlingssession im Jahr 2012. Abrufbar unter: http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20123100, zuletzt abgerufen am 5. November 2015.
[8] Eine umfassende Strategie für das Gesundheitswesen. Abrufbar unter: http://www.bag.admin.ch/gesundheit2020/index.html?lang=de, zuletzt abgerufen am 5. November 2015.