Anfang Dezember 2010 hat der Bundesrat die Botschaft zum Epidemiengesetz (EpG) verabschiedet. Im Gegensatz zum vorgesehenen Präventionsgesetz ist das Epidemiengesetz auf übertragbare Krankheiten ausgerichtet. Das geltende Epidemiengesetz stammt aus dem Jahre 1970 und ist gemäss dem Bundesrat veraltet, da es den Herausforderungen der erhöhten Mobilität von Mensch und Ware nicht gewachsen ist. Weiter wurden 2009 im Rahmen der Massnahmen gegen die Grippe H1N1 juristische Lücken aufgedeckt, welche geschlossen werden müssen. Aus diesen Gründen wurde die Revision des EpG in Auftrag gegeben.
Die Revision zielt auf eine bessere Erkennung, Verhütung, Überwachung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten mit grosser Schadenswirkung für die Gesellschaft. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass der Bund eine neue Führungsrolle bei der Bestimmung der nationalen Ziele und strategischen Ausrichtung des Schutzes vor Epidemien einnimmt. Das BAG ist dann mit der Umsetzung dieser Ziele, z.B. durch nationale Programme (z.B. Impfprogramm oder ein Programm gegen Antibiotikaresistenzen), betraut.
Eine verbesserte Koordination zwischen Bund, Kantonen und Dritten soll durch ein ständiges Koordinationsorgan geschaffen werden. Im Fall einer möglichen Epidemie ist zudem ein Einsatzorgan vorgesehen. In solchen Fällen von besonderen oder ausserordentlichen Lagen, im Gegensatz zu der ordentlichen Lage, werden dann auch Grundrechtseingriffe zu Gunsten des Gesundheitsschutzes, wie z.B. ein Veranstaltungsverbot oder Quarantänemassnahmen, möglich sein. Selbstverständlich sind diese Eingriffe an die Bedingungen von Art. 36 BV gebunden. Der Bund wird für die Vorbereitung auf solche Notlagen zuständig sein.
Art. 21 f. des Entwurfs des EpG (E-EpG) wird wohl noch zu diskutieren geben. Der Bundesrat möchte bei gewissen Krankheiten im Rahmen von nationalen Programmen die Durchimpfungsrate bei Krankheiten, die als besonders wichtig erachtet werden, erhöhen. Dies wird voraussichtlich bei Impfungsskeptikern auf Widerstand stossen. Der Entwurf sieht dafür neu eine Genugtuung bei Impfschäden vor, was jedoch kaum Einfluss auf den Widerstand gegen die Möglichkeit von obligatorischen Impfungen, wie sie in Art. 22 E-EpG vorgesehen ist, haben wird. Im Gegensatz zum geltenden EpG sieht der Entwurf vor, dass die Kantone Impfobligatorien nur für bestimmte Gruppen erlassen können. Darunter fallen z.B. Spitalangestellte, die in sensiblen Bereichen arbeiten. Der Bundesrat betont, dass niemand aufgrund des neuen EpG gegen seinen Willen geimpft werden kann und zudem der E-EpG eine Einschränkung der derzeitig möglichen Impfobligatorien vorsieht. So würde z.B. eine Pflegefachkraft in nicht sensiblen Bereichen eingesetzt, sollte sie oder er die Impfung verweigern.
Womöglich könnte auch die vorgesehene Möglichkeit von Informationskampagnen im öffentlichen Raum, u.a. an Schulen, bezüglich infektionellen Krankheiten und somit auch sexuell übertragbaren Krankheiten zu Diskussionen führen.
Ein weiterer Punkt der Revision ist der Datenschutz, welcher durch das Sammeln und Auswerten der Daten erkrankter Menschen offensichtlich betroffen ist. Er wird an die geltenden Erfordernisse angepasst. Speziell im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit soll der Datenschutz erhöht; die Zusammenarbeit und Vernetzung im internationalen Bereich verstärkt werden. Letzteres auch als Reaktion auf die erhöhte Mobilität und die Vorschriften der WHO.
Das revidierte Epidemiengesetz wird wohl noch zu reden geben und vielleicht auch das Stimmvolk beschäftigen, da wie erwähnt vor allem bei den Impfobligatorien Widerstand zu erwarten ist. Aus medizinalrechtlicher Sicht werden sich bezüglich der Klärung der Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen wohl zwangsläufig gewisse Umsetzungsfragen stellen. Eine allgemeine Modernisierung des Epidemienschutzes ist bei einer immer dichteren Bevölkerung jedoch mittelfristig ohnehin notwendig.