Umfassende Revision des Gesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG)

Am 8. Oktober 2004 verabschiedete das Parlament das Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG). In der Folge setzten unterschiedliche technische Entwicklungen ein, welche die Qualität der Analysen und die Laborlandschaft tiefgreifend verändert haben. So wird anders als bislang nicht mehr nur ganz gezielt ein einzelnes genetisches Merkmal abgeklärt, sondern mit Hilfe von neuen Technologien relativ schnell und kostengünstig das gesamte Erbgut oder zumindest all jene Abschnitte, die potenziell für Eiweisse codieren, analysiert. Eine neu in der genetischen Diagnostik eingesetzte Technologie ist auch die vergleichende Genom-Hybridisierung (DANN-CHIP-Technologie oder Microarray). Sie dient dem schnellen und effizienten Vergleich einer DNA-Probe der betroffenen Person mit einer bekannten Referenzprobe. Ebenfalls wurde durch neue Erkenntnisse über Zusammenhänge zwischen Genen und menschlichen Eigenschaften das Verständnis über die Möglichkeiten und die Aussagekraft von genetischen Untersuchungen erweitert.[1]

Die Komplexität dieser neuen Technologien sowie die Möglichkeit, mit nur einer Analyse viele Erkenntnisse über das Erbgut zu erhalten, auch solche, nach denen nicht gesucht wurde (sog. Überschussinformationen), werfen neue Fragen auf. Diese betreffen insbesondere Regelungsaspekte der Aufklärung, Beratung und Zustimmung, des Rechts auf Nichtwissen sowie der Aufbewahrung und Weiterverwendung von Proben und genetischen Daten. Überdies hat die Zersplitterung im Analyseprozess zu neuen Fragen im Bewilligungswesen geführt.[2] All diesen Entwicklungen ist das bis heute geltende GUMG nicht mehr gewachsen, weshalb der Bundesrat am 5. Juli 2017 eine revidierte Gesetzesvorlage verabschiedet hat.[3] Nachfolgend werden die wichtigsten Neuregelungen der Gesetzesvorlage in gekürzter Form dargestellt. Der Gesetzesentwurf sowie die Botschaft dazu finden sie unter https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/mensch-gesundheit/biomedizin-forschung/genetische-untersuchungen/aktuelle-rechtsetzungsprojekte1.html?_organization=317.

Umfassende Erweiterung des Geltungsbereichs des GUMG:

Neu wird im Gesetzesentwurf der Geltungsbereich wesentlich erweitert. So erfasst er neben genetischen Untersuchungen im medizinischen Bereich auch solche ausserhalb des medizinischen Bereichs (vgl. Art. 1 Abs. 2 E-GUMG) sowie Untersuchungen von Eigenschaften des Erbguts, die nicht an Nachkommen weitergegeben werden. Für die genannten Kategorien werden Mindestanforderungen im Hinblick auf die Schutz- und Qualitätsbedürfnisse festgelegt. Ausdrücklich vom Geltungsbereich ausgenommen werden unter anderem Untersuchungen bei verstorbenen sowie bei toten Embryonen oder Föten.[4]

Genetische Untersuchungen im medizinischen Bereich sind stets mit klinischen Fragestellungen verbunden, finden im medizinischen Kontext statt und dienen vor allem der Erkennung, Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten (vgl. Art. 19 E-GUMG). In einem solchen Kontext erhobene Daten gelten als besonders schützenswerte Personendaten, weshalb solche Untersuchungen nur durch Ärzte und Ärztinnen veranlasst und die Proben nur durch bewilligte Laboratorien untersucht werden dürfen (vgl. Art. 20 und 28 E-GUMG).[5]

Die genetischen Untersuchungen ausserhalb des medizinischen Bereichs werden im Gesetzesentwurf in zwei Unterkategorien unterteilt: Die genetische Untersuchung zur Abklärung besonders schützenswerter Eigenschaften der Persönlichkeit und die übrigen genetischen Untersuchungen (vgl. Art. 31 E-GUMG). Zur ersten Unterkategorie zählen unter anderem gewisse Lifestyle-Analysen wie beispielsweise Untersuchungen zur Abklärung des Stoffwechseltyps oder Abklärungen zur Eignung für bestimmte Sportarten. Sie geben jedoch keine Auskunft über Krankheitsveranlagungen oder Krankheitsrisiken. Auch Herkunftsanalysen sowie Analysen zur Abklärung von Charaktereigenschaften und Verhalten (z.B. Intelligenz oder Aggressionspotenzial) sind unter die erste Unterkategorie zu subsumieren. Bei genetischen Untersuchungen zur Abklärung besonders schützenswerter Eigenschaften der Persönlichkeit dürfen Probeentnahmen nur im Beisein einer Gesundheitsfachperson erfolgen und anschliessend nur von bewilligten Laboratorien untersucht werden (vgl. Art. 34 Abs. 1 und 35 E-GUMG).

In die zweite Unterkategorie fallen alle genetischen Untersuchungen, welche nicht der Untersuchung zur Abklärung besonders schützenswerter Eigenschaften der Persönlichkeit, noch der Erstellung von DNA-Profilen zugeordnet werden und keinen Gesundheitsbezug aufweisen. Zu denken sind beispielsweise Analysen zum äusseren Erscheinungsbild (Grösse, Augen- oder Haarfarbe, etc.). Die Untersuchungen der zweiten Unterkategorie sollen direkt an die Konsumenten und Konsumentinnen abgegeben werden dürfen, und die Laboratorien werden weder einer Bewilligungspflicht noch einer anderen Überprüfung unterstellt. Zu betonen ist jedoch, dass pränatale Untersuchungen ausserhalb des medizinischen Bereichs wie auch Untersuchungen ausserhalb des medizinischen Bereichs bei urteilsunfähigen Personen weiterhin verboten sind (vgl. Art. 16 und 17 E-GUMG).[6]

Überdies nimmt der Entwurf Untersuchungen von Veränderungen des Erbguts, die nicht ererbt sind und die erst nach der Embryonalphase erworben wurden, neu in den Geltungsbereich auf. Bei erworbenen Veränderungen wird grundsätzlich zwischen Veränderungen einzelner Körperzellen (werden nicht vererbt) oder Keimzellen (werden an folgende Generationen weitergegeben) differenziert. Die Untersuchungen von Veränderungen an Keimzellen werden den Untersuchungen von ererbten Eigenschaften gleichgestellt und den gleichen Anforderungen unterstellt. Untersuchungen von Eigenschaften, die nicht an Nachkommen weitergegeben werden, werden hingegen weniger strengen Anforderungen unterstellt (vgl. Art. 2 Abs. 1 E-GUMG). Für Untersuchungen solcher somatischer Eigenschaften gelten daher einzig ausgewählte Bestimmungen des 1. Kapitels des Gesetzes sowie die Regelungen betreffend Überschussinformationen (vgl. Art. 2 E-GUMG).[7]

Berücksichtigung der Auswirkungen neuer Technologien:

Durch neue technologische Entwicklungen besteht heute die Möglichkeit, bei genetischen Untersuchungen das gesamte Genom oder weite Teile davon in kurzer Zeit zu analysieren und nach Bedarf Erkenntnisse zu einer Vielzahl von Eigenschaften zu gewinnen. Dies führt häufig zu Informationen, die für den Zweck der Untersuchung nicht benötigt werden, sog. Überschussinformationen. Im Zusammenhang mit dieser Überschussinformations-Problematik sind im Entwurf einige Neuregelungen vorgesehen. So wird in Art. 9 E-GUMG festgehalten, dass an der Durchführung der Untersuchung Beteiligte so weit als möglich die Entstehung von Überschussinformationen zu vermeiden haben. Bei Untersuchungen im medizinischen Bereich sollen die Betroffenen ausserdem über die Möglichkeit des Auftretens von Überschussinformationen informiert werden. Überdies soll der Patient vorgängig entscheiden können, ob er von solchen Informationen Kenntnis erhalten möchte oder nicht (vgl. Art. 8 und 27 E-GUMG). Bei genetischen Untersuchungen ausserhalb des medizinischen Bereichs und bei DNA-Profilen ist vorgesehen, die Mitteilung von Überschussinformationen zu verbieten (vgl. Art. 33 E-GMUG).[8]

Umgang mit Angeboten von genetischen Tests zur Eigenanwendung:

Unternehmen und Anbieter mit Sitz in der Schweiz sollen weiterhin bestimmte genetische Tests ohne den Einbezug von Ärzten und Ärztinnen an interessierte Personen anbieten dürfen.[9] Solche Tests dürfen jedoch nur dann direkt an die betroffene Person abgegeben werden, wenn es sich um eine übrige genetische Untersuchung ausserhalb des medizinischen Bereichs handelt (vgl. Art. 13 E-GUMG).[10]

Strafbestimmungen:

Im Entwurf wurden die Strafbestimmungen erweitert, indem neu nicht nur Fachpersonen, Arbeitgeber und Versicherer, sondern auch Privatpersonen davon erfasst werden (vgl. Art. 56 ff. E-GUMG).[11]

Die vorgeschlagenen Neuerungen sollen gewährleisten, dass die Gefahr des Missbrauchs von genetischen Daten, insbesondere von urteilsunfähigen Personen sowie ausserhalb des medizinischen Bereichs, minimiert wird. Überdies soll durch die Einführung erhöhter Anforderungen in gewissen Teilbereichen der genetischen Untersuchung die Rechtssicherheit und das Vertrauen in genetische Untersuchungen gestärkt werden. Dazu dient insbesondere auch die Erfassung der genetischen Untersuchungen ausserhalb des medizinischen Bereiches.[12] Zuerst ist nun aber das Ergebnis der Vernehmlassung abzuwarten.

[1] Botschaft zum Gesetz über genetische Untersuchungen am Menschen, PDF abrufbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/mensch-gesundheit/biomedizin-forschung/genetische-untersuchungen/aktuelle-rechtsetzungsprojekte1.html?_organizati­on=317, zuletzt abgerufen am 29.08.2017

[2] Botschaft zum Gesetz über genetische Untersuchungen am Menschen, PDF abrufbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/mensch-gesundheit/biomedizin-forschung/genetische-untersuchungen/aktuelle-rechtsetzungsprojekte1.html?_organizati­on=317, zuletzt abgerufen am 29.08.2017

[3] Bundesrat will Persönlichkeitsschutz bei genetischen Untersuchungen stärken: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/aktuell/medienmitteilungen.msg-id-67432.html, zuletzt abgerufen am 29.08.2017

[4] Botschaft zum Gesetz über genetische Untersuchungen am Menschen, PDF abrufbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/mensch-gesundheit/biomedizin-forschung/genetische-untersuchungen/aktuelle-rechtsetzungsprojekte1.html?_organizati­on=317, zuletzt abgerufen am 29.08.2017

[5] Botschaft zum Gesetz über genetische Untersuchungen am Menschen, PDF abrufbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/mensch-gesundheit/biomedizin-forschung/genetische-untersuchungen/aktuelle-rechtsetzungsprojekte1.html?_organizati­on=317, zuletzt abgerufen am 29.08.2017

[6] Botschaft zum Gesetz über genetische Untersuchungen am Menschen, PDF abrufbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/mensch-gesundheit/biomedizin-forschung/genetische-untersuchungen/aktuelle-rechtsetzungsprojekte1.html?_organizati­on=317, zuletzt abgerufen am 29.08.2017

[7] Botschaft zum Gesetz über genetische Untersuchungen am Menschen, PDF abrufbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/mensch-gesundheit/biomedizin-forschung/genetische-untersuchungen/aktuelle-rechtsetzungsprojekte1.html?_organizati­on=317, zuletzt abgerufen am 29.08.2017

[8] Botschaft zum Gesetz über genetische Untersuchungen am Menschen, PDF abrufbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/mensch-gesundheit/biomedizin-forschung/genetische-untersuchungen/aktuelle-rechtsetzungsprojekte1.html?_organizati­on=317, zuletzt abgerufen am 29.08.2017

[9] Botschaft zum Gesetz über genetische Untersuchungen am Menschen, PDF abrufbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/mensch-gesundheit/biomedizin-forschung/genetische-untersuchungen/aktuelle-rechtsetzungsprojekte1.html?_organizati­on=317, zuletzt abgerufen am 29.08.2017

[10] Botschaft zum Gesetz über genetische Untersuchungen am Menschen, PDF abrufbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/mensch-gesundheit/biomedizin-forschung/genetische-untersuchungen/aktuelle-rechtsetzungsprojekte1.html?_organizati­on=317, zuletzt abgerufen am 29.08.2017

[11] Botschaft zum Gesetz über genetische Untersuchungen am Menschen, PDF abrufbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/mensch-gesundheit/biomedizin-forschung/genetische-untersuchungen/aktuelle-rechtsetzungsprojekte1.html?_organizati­on=317, zuletzt abgerufen am 29.08.2017

[12] Botschaft zum Gesetz über genetische Untersuchungen am Menschen, PDF abrufbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/mensch-gesundheit/biomedizin-forschung/genetische-untersuchungen/aktuelle-rechtsetzungsprojekte1.html?_organizati­on=317, zuletzt abgerufen am 29.08.2017